ROUNDUP/Studie: Globaler Flugverkehr verfehlt Klimaziele klar
BAKU/BERLIN (dpa-AFX) - Der weltweite Passagierluftverkehr hat einer Studie zufolge seine Klimaziele klar verpasst. Auch den deutschen Airlines ist es kaum gelungen, den Kerosinverbrauch zu senken und damit den CO2-Ausstoß und weitere Umweltschäden zu lindern. In einem zur Klimakonferenz in Baku vorgelegten Airline-Ranking der Umweltorganisation "Atmosfair" sind Lufthansa, Condor und Tuifly zurückgefallen.
"Die Klimawende im Flugverkehr lässt auf sich warten", sagt Atmosfair-Geschäftsführer Dietrich Brockhagen. "Unsere Zahlen zeigen, dass der Sektor beim Klimaschutz einfach zu langsam ist." Der absolute CO2-Ausstoß des Passagierluftverkehrs sei vor allem wegen des geringeren Flugaufkommens aber noch etwa 10 Prozent geringer als 2019.
Nach den Berechnungen haben die internationalen Passagierairlines im vergangenen Jahr ihre CO2-Effizienz im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 nur um knapp 6 Prozent verbessert, was lediglich einer jährlichen Steigerung um 1,4 Prozent entspreche. Bei weiter wachsendem Flugaufkommen sei aber jedes Jahr eine Steigerung von 4,0 Prozent notwendig, um die in Paris vereinbarten Klimaziele zu erreichen, sagt Atmosfair. Selbst die aus ihrer Sicht unzureichenden Klimavorgaben der zivilen Luftfahrtorganisation ICAO von jährlich 2,0 Prozent seien unterboten worden.
Airlines kommen nicht mit Flottenmodernisierung voran
Unter anderem sind die Gesellschaften mit der Flottenmodernisierung nicht vorangekommen, obwohl moderne Triebwerke den Kerosinverbrauch um bis zu 30 Prozent senken können. Hintergrund sind Lieferschwierigkeiten bei den beiden dominierenden Herstellern Boeing und Airbus .
Airlines mit vergleichsweise alten Flotten fallen daher in dem Ranking zurück, wie beispielsweise die Kerngesellschaft des Lufthansa-Konzerns, die von Rang 66 im Jahr 2019 auf Platz 97 zurückfiel. Condor verschlechterte sich von 9 auf Platz 36 und die Tuifly als beste deutsche Gesellschaft von Platz 4 auf 14. Die günstigsten Effizienzwerte erreichten die Tuifly Netherlands und die erst 2018 gegründete Airline Starlux aus Taiwan. Beide sind mit hochmodernen und gut ausgelasteten Jets am Start. Die Lufthansa-Tochter Eurowings erhält wie die Condor mit D nur eine mittlere Effizienzklasse.
Vorerst keine Alternative zu Verbrennern
In einer Reaktion nennt der deutsche Branchenverband BDL die Zahl von 427 effizienteren Flugzeugen, die deutsche Airlines bestellt haben. Die neueste Generation komme mit 2,1 bis 2,5 Liter Kerosin pro Passagier und 100 Kilometer aus. Der aktuelle Durchschnittsverbrauch der deutschen Airlines liege bei 3,44 Litern. Der Verband kritisiert die Bundesregierung, die gegen den Koalitionsvertrag die Förderung für alternative Kraftstoffe gekürzt habe.
Allen Bemühungen gemeinsam ist der Umstand, dass moderne Jets auf Sicht weiter nur mit mächtigen Verbrenner-Triebwerken in die Luft gehoben werden und lange Strecken zurücklegen können. Größere Flugzeuge mit ausreichend starken Batterie- oder Brennstoffzellen-Antrieben stehen noch auf Jahre nicht zur Verfügung.
Nachhaltiger Treibstoff aus Frittenfett und Strom
Bislang nur eine kleine Rolle spielt nachhaltig produziertes Kerosin (SAF), das derzeit vor allem aus gebrauchten Speisefetten hergestellt wird. Von der Industrie wird SAF als entscheidender Hebel zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs angesehen. Eine Ausweitung auf andere Bio-Rohstoffe ist absehbar. Die EU verlangt ab dem kommenden Jahr SAF-Beimischungen in steigenden Quoten.
Keine Airline tankte 2023 nach Atmosfair-Angaben mehr als 1 Prozent ihres Bedarfs mit SAF. Der Airlineverband IATA rechnet dieses Jahr zwar mit einer Verdreifachung der globalen SAF-Produktion. Aber auch diese 1,5 Millionen Tonnen reichten nur aus, um etwas mehr als 0,5 Prozent des weltweiten Bedarfs der Luftfahrt zu decken.
Technisch möglich ist auch synthetisches Kerosin, das mit Hilfe großer Mengen elektrischen Stroms hergestellt werden kann. Hierzu gibt es aber noch keine Anlagen im industriellen Maßstab. Die Non-Profit-Organisation Atmosfair betreibt über die Tochtergesellschaft Solarbelt eine erste Produktionsanlage für synthetisches E-Kerosin im niedersächsischen Werlte, die auf 300 Tonnen Jahresproduktion ausgelegt ist. Bislang wird das rare E-Kerosin an Privatpersonen und Reiseveranstalter verkauft und über eine Raffinerie in Heide in den Kerosin-Handel gegeben.
Lufthansa schneidet in anderen Rankings besser ab
Die Lufthansa-Gruppe verweist auf ambitionierte Nachhaltigkeitsziele, ihr umfangreiches Berichtwesen zum Thema sowie auf positive Bewertungen verschiedener ESG-Rating-Agenturen. In ihrem bislang jüngsten Nachhaltigkeitsbericht hat die Gruppe nach eigenen Angaben ihre Effizienz zwischen 2019 und 2023 um 2,7 Prozent verbessert. Lufthansa nennt dort 253 Flugzeugbestellungen und 161 Optionen zum Jahresende 2023. Trotz deutlicher Steigerung des Kerosinverbrauchs um 16 Prozent von 2022 auf 2023 ist aber die Menge des freiwillig beigemischten SAF fast gleich geblieben.
Greenpeace fordert Verbot von Inlandsflügen
Der Klimaforscher Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change weist darauf hin, dass der Flugverkehr rund 2,5 Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen beiträgt - wegen anderer Klimaeffekte aber etwa sieben Prozent zur Erderwärmung. "Der Flugverkehr ist der Bereich, in dem die Emissionen am ungleichsten verteilt sind: weniger als zehn Prozent Weltbevölkerung ist fast allein für diese Emissionen verantwortlich." Greenpeace spricht sich daher für ein Verbot von Inlandsflügen aus - kombiniert mit einem attraktiven Ausbau des Bahnsystems. Die Lösung für das Klimaproblem des Flugverkehrs könne keine rein technologische sein, sagte Deutschland-Chef Martin Kaiser. Dass der Luftverkehrssektor in den internationalen Klimaverhandlungen gar keine Rolle spiele, bezeichnete er als "skandalös"./ceb/swe/DP/nas
BAKU/BERLIN (dpa-AFX) - Der weltweite Passagierluftverkehr hat einer Studie zufolge seine Klimaziele klar verpasst. Auch den deutschen Airlines ist es kaum gelungen, den Kerosinverbrauch zu senken und damit den CO2-Ausstoß und weitere Umweltschäden zu lindern. In einem zur Klimakonferenz in Baku vorgelegten Airline-Ranking der Umweltorganisation "Atmosfair" sind Lufthansa
"Die Klimawende im Flugverkehr lässt auf sich warten", sagt Atmosfair-Geschäftsführer Dietrich Brockhagen. "Unsere Zahlen zeigen, dass der Sektor beim Klimaschutz einfach zu langsam ist." Der absolute CO2-Ausstoß des Passagierluftverkehrs sei vor allem wegen des geringeren Flugaufkommens aber noch etwa 10 Prozent geringer als 2019.
Nach den Berechnungen haben die internationalen Passagierairlines im vergangenen Jahr ihre CO2-Effizienz im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 nur um knapp 6 Prozent verbessert, was lediglich einer jährlichen Steigerung um 1,4 Prozent entspreche. Bei weiter wachsendem Flugaufkommen sei aber jedes Jahr eine Steigerung von 4,0 Prozent notwendig, um die in Paris vereinbarten Klimaziele zu erreichen, sagt Atmosfair. Selbst die aus ihrer Sicht unzureichenden Klimavorgaben der zivilen Luftfahrtorganisation ICAO von jährlich 2,0 Prozent seien unterboten worden.
Airlines kommen nicht mit Flottenmodernisierung voran
Unter anderem sind die Gesellschaften mit der Flottenmodernisierung nicht vorangekommen, obwohl moderne Triebwerke den Kerosinverbrauch um bis zu 30 Prozent senken können. Hintergrund sind Lieferschwierigkeiten bei den beiden dominierenden Herstellern Boeing
Airlines mit vergleichsweise alten Flotten fallen daher in dem Ranking zurück, wie beispielsweise die Kerngesellschaft des Lufthansa-Konzerns, die von Rang 66 im Jahr 2019 auf Platz 97 zurückfiel. Condor verschlechterte sich von 9 auf Platz 36 und die Tuifly als beste deutsche Gesellschaft von Platz 4 auf 14. Die günstigsten Effizienzwerte erreichten die Tuifly Netherlands und die erst 2018 gegründete Airline Starlux aus Taiwan. Beide sind mit hochmodernen und gut ausgelasteten Jets am Start. Die Lufthansa-Tochter Eurowings erhält wie die Condor mit D nur eine mittlere Effizienzklasse.
Vorerst keine Alternative zu Verbrennern
In einer Reaktion nennt der deutsche Branchenverband BDL die Zahl von 427 effizienteren Flugzeugen, die deutsche Airlines bestellt haben. Die neueste Generation komme mit 2,1 bis 2,5 Liter Kerosin pro Passagier und 100 Kilometer aus. Der aktuelle Durchschnittsverbrauch der deutschen Airlines liege bei 3,44 Litern. Der Verband kritisiert die Bundesregierung, die gegen den Koalitionsvertrag die Förderung für alternative Kraftstoffe gekürzt habe.
Allen Bemühungen gemeinsam ist der Umstand, dass moderne Jets auf Sicht weiter nur mit mächtigen Verbrenner-Triebwerken in die Luft gehoben werden und lange Strecken zurücklegen können. Größere Flugzeuge mit ausreichend starken Batterie- oder Brennstoffzellen-Antrieben stehen noch auf Jahre nicht zur Verfügung.
Nachhaltiger Treibstoff aus Frittenfett und Strom
Bislang nur eine kleine Rolle spielt nachhaltig produziertes Kerosin (SAF), das derzeit vor allem aus gebrauchten Speisefetten hergestellt wird. Von der Industrie wird SAF als entscheidender Hebel zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs angesehen. Eine Ausweitung auf andere Bio-Rohstoffe ist absehbar. Die EU verlangt ab dem kommenden Jahr SAF-Beimischungen in steigenden Quoten.
Keine Airline tankte 2023 nach Atmosfair-Angaben mehr als 1 Prozent ihres Bedarfs mit SAF. Der Airlineverband IATA rechnet dieses Jahr zwar mit einer Verdreifachung der globalen SAF-Produktion. Aber auch diese 1,5 Millionen Tonnen reichten nur aus, um etwas mehr als 0,5 Prozent des weltweiten Bedarfs der Luftfahrt zu decken.
Technisch möglich ist auch synthetisches Kerosin, das mit Hilfe großer Mengen elektrischen Stroms hergestellt werden kann. Hierzu gibt es aber noch keine Anlagen im industriellen Maßstab. Die Non-Profit-Organisation Atmosfair betreibt über die Tochtergesellschaft Solarbelt eine erste Produktionsanlage für synthetisches E-Kerosin im niedersächsischen Werlte, die auf 300 Tonnen Jahresproduktion ausgelegt ist. Bislang wird das rare E-Kerosin an Privatpersonen und Reiseveranstalter verkauft und über eine Raffinerie in Heide in den Kerosin-Handel gegeben.
Lufthansa schneidet in anderen Rankings besser ab
Die Lufthansa-Gruppe verweist auf ambitionierte Nachhaltigkeitsziele, ihr umfangreiches Berichtwesen zum Thema sowie auf positive Bewertungen verschiedener ESG-Rating-Agenturen. In ihrem bislang jüngsten Nachhaltigkeitsbericht hat die Gruppe nach eigenen Angaben ihre Effizienz zwischen 2019 und 2023 um 2,7 Prozent verbessert. Lufthansa nennt dort 253 Flugzeugbestellungen und 161 Optionen zum Jahresende 2023. Trotz deutlicher Steigerung des Kerosinverbrauchs um 16 Prozent von 2022 auf 2023 ist aber die Menge des freiwillig beigemischten SAF fast gleich geblieben.
Greenpeace fordert Verbot von Inlandsflügen
Der Klimaforscher Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change weist darauf hin, dass der Flugverkehr rund 2,5 Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen beiträgt - wegen anderer Klimaeffekte aber etwa sieben Prozent zur Erderwärmung. "Der Flugverkehr ist der Bereich, in dem die Emissionen am ungleichsten verteilt sind: weniger als zehn Prozent Weltbevölkerung ist fast allein für diese Emissionen verantwortlich." Greenpeace spricht sich daher für ein Verbot von Inlandsflügen aus - kombiniert mit einem attraktiven Ausbau des Bahnsystems. Die Lösung für das Klimaproblem des Flugverkehrs könne keine rein technologische sein, sagte Deutschland-Chef Martin Kaiser. Dass der Luftverkehrssektor in den internationalen Klimaverhandlungen gar keine Rolle spiele, bezeichnete er als "skandalös"./ceb/swe/DP/nas