POLITIK/ROUNDUP/Basis rechnet mit Klingbeil ab: 'Das ist unanständig'
DUISBURG/HUSUM (dpa-AFX) - SPD-Bundesparteichef und Vizekanzler Lars Klingbeil hat nach dem Start der schwarz-roten Bundesregierung harsche Kritik an der Basis einstecken müssen. Beim Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD in Duisburg warfen ihm vor allem junge Delegierte in einer Aussprache programmatische Planlosigkeit und Ämterhäufung bei gleichzeitiger "Abstrafung" seiner Co-Vorsitzenden Saskia Esken vor. Auch bei der SPD Schleswig-Holstein machten junge Parteimitglieder ihrem Ärger Luft.
Mit einer themenübergreifenden Grundsatzrede und einem Appell an Geschlossenheit und Solidarität war Klingbeil in der traditionellen "Malocherstadt" Duisburg am Samstag in den Parteitag eingestiegen. Vor dem kritisch gestimmten Landesverband NRW, der schon im Vorfeld eine schonungslose Analyse des SPD-Absturzes bei der Bundestagswahl vorgelegt hatte, sicherte er eine offene Aufarbeitung zu und räumte auch eigene Fehler ein - ohne allerdings gravierende Punkte zu benennen, die der Parteibasis offenkundig unter den Nägeln brannten.
Auch in Husum versprach Klingbeil Aufarbeitung. "Was nicht zu den Akten gelegt ist, ist ein Wahlergebnis von 16,4 Prozent", sagte er. "Wir werden Konsequenzen aus dem Ergebnis ziehen. Natürlich haben wir Fehler gemacht."
Klingbeil muss sich wehren
In Duisburg machte die Juso-Landesvorsitzende Nina Gaedike den Aufschlag: "Wie viele letzte Schüsse gibt es eigentlich?", leitete sie ihre Rede über Parteifloskeln nach schlechten Ergebnissen ein. "Was ist dein Plan?", wollte sie von Klingbeil angesichts eines schon länger währenden SPD-Abwärtstrends wissen. In Duisburg habe der Parteichef lediglich alle Kontroversen umschifft, attestierte sie ihm.
Doch für Klingbeil kam es in der einstigen "Herzkammer der Sozialdemokratie" tief im Ruhrgebiet noch dicker. Mehrere Delegierte thematisierten in scharfem Ton, wie es sein könne, dass Klingbeil, der jetzt auch Bundesfinanzminister ist, nach dem Wahldebakel in kürzester Zeit immer mehr Ämter angehäuft habe, während Esken allein die Konsequenzen für die Klatsche zu tragen habe. "Das ist unanständig, was da gelaufen ist, dass wieder die Frauen kassieren und die Männer den Top-Job kriegen", schimpfte ein Delegierter.
In Husum fragte eine Vertreterin der Jusos: "Lars, wo war bei dir die Demut über das schlechte Ergebnis?" Ein junger Delegierter kritisierte Klingbeil für dessen Aussage, die SPD müsse sich in der Mitte positionieren. Der Kurs der Mitte sei falsch. "Kehrt endlich von ihm ab", sagte er unter dem Jubel vieler SPD-Mitglieder. Er warf der Parteiführung schwere Fehler vor. "Ihr habt die Frage der Kanzlerkandidatur so dermaßen in den Sand gesetzt."
Vor allem von erfahrenen Parteimitgliedern erhielt Klingbeil im Norden auch Unterstützung. So empfahl der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner seiner Partei Selbstbewusstsein und Fairness im Umgang.
Parteichef mahnt Geschlossenheit nach Verletzungen an
Dann die Verteidigung vom Vizekanzler: Die Personalentscheidungen in der SPD seien mit der gesamten Führungsspitze im Team getroffen worden, entgegnete Klingbeil in NRW, und merkte an, solche Diskussionen seien nötig, man könne sie aber auch ohne persönliche Angriffe führen.
Zu Forderungen nach einer programmatischen Kehrtwende sagte Klingbeil, er warne davor, die SPD radikaler auszurichten oder weiter nach links zu rücken. Stattdessen müsse die Sozialdemokratie wieder stärker Politik für die Mitte machen.
Klingbeil: Brauchen eine ehrliche Debatte
Klingbeil versicherte, der Start der neuen Bundesregierung werde die Aufarbeitung des SPD-Debakels bei der Bundestagswahl nicht verdrängen. "Wir brauchen eine ehrliche, eine offenere, eine schonungslose Diskussion in der SPD, wie wir wieder stärker werden können." Das werde beim Bundesparteitag im Juni eine große Rolle spielen. In Duisburg hatte er nicht viel Zeit für die Auseinandersetzung: "Ich muss nach Schleswig-Holstein", entschuldigte er sich.
Die vergangenen Wochen seien geprägt gewesen von Höhen, Tiefen, Tempo, schwierigen Entscheidungen und auch Verletzungen, stellte der 47-jährige Parteichef fest. Es sei aber angesichts der großen bevorstehenden Aufgaben unerlässlich, dass die Partei geschlossen und solidarisch zusammenstehe. Die neue Koalition von SPD und Union sei zum Erfolg verdammt. Sein Schlussappell: "Lasst uns am Ende vor allem eine geschlossene, eine solidarische, eine starke SPD sein."/beg/DP/zb
DUISBURG/HUSUM (dpa-AFX) - SPD-Bundesparteichef und Vizekanzler Lars Klingbeil hat nach dem Start der schwarz-roten Bundesregierung harsche Kritik an der Basis einstecken müssen. Beim Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD in Duisburg warfen ihm vor allem junge Delegierte in einer Aussprache programmatische Planlosigkeit und Ämterhäufung bei gleichzeitiger "Abstrafung" seiner Co-Vorsitzenden Saskia Esken vor. Auch bei der SPD Schleswig-Holstein machten junge Parteimitglieder ihrem Ärger Luft.
Mit einer themenübergreifenden Grundsatzrede und einem Appell an Geschlossenheit und Solidarität war Klingbeil in der traditionellen "Malocherstadt" Duisburg am Samstag in den Parteitag eingestiegen. Vor dem kritisch gestimmten Landesverband NRW, der schon im Vorfeld eine schonungslose Analyse des SPD-Absturzes bei der Bundestagswahl vorgelegt hatte, sicherte er eine offene Aufarbeitung zu und räumte auch eigene Fehler ein - ohne allerdings gravierende Punkte zu benennen, die der Parteibasis offenkundig unter den Nägeln brannten.
Auch in Husum versprach Klingbeil Aufarbeitung. "Was nicht zu den Akten gelegt ist, ist ein Wahlergebnis von 16,4 Prozent", sagte er. "Wir werden Konsequenzen aus dem Ergebnis ziehen. Natürlich haben wir Fehler gemacht."
Klingbeil muss sich wehren
In Duisburg machte die Juso-Landesvorsitzende Nina Gaedike den Aufschlag: "Wie viele letzte Schüsse gibt es eigentlich?", leitete sie ihre Rede über Parteifloskeln nach schlechten Ergebnissen ein. "Was ist dein Plan?", wollte sie von Klingbeil angesichts eines schon länger währenden SPD-Abwärtstrends wissen. In Duisburg habe der Parteichef lediglich alle Kontroversen umschifft, attestierte sie ihm.
Doch für Klingbeil kam es in der einstigen "Herzkammer der Sozialdemokratie" tief im Ruhrgebiet noch dicker. Mehrere Delegierte thematisierten in scharfem Ton, wie es sein könne, dass Klingbeil, der jetzt auch Bundesfinanzminister ist, nach dem Wahldebakel in kürzester Zeit immer mehr Ämter angehäuft habe, während Esken allein die Konsequenzen für die Klatsche zu tragen habe. "Das ist unanständig, was da gelaufen ist, dass wieder die Frauen kassieren und die Männer den Top-Job kriegen", schimpfte ein Delegierter.
In Husum fragte eine Vertreterin der Jusos: "Lars, wo war bei dir die Demut über das schlechte Ergebnis?" Ein junger Delegierter kritisierte Klingbeil für dessen Aussage, die SPD müsse sich in der Mitte positionieren. Der Kurs der Mitte sei falsch. "Kehrt endlich von ihm ab", sagte er unter dem Jubel vieler SPD-Mitglieder. Er warf der Parteiführung schwere Fehler vor. "Ihr habt die Frage der Kanzlerkandidatur so dermaßen in den Sand gesetzt."
Vor allem von erfahrenen Parteimitgliedern erhielt Klingbeil im Norden auch Unterstützung. So empfahl der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner seiner Partei Selbstbewusstsein und Fairness im Umgang.
Parteichef mahnt Geschlossenheit nach Verletzungen an
Dann die Verteidigung vom Vizekanzler: Die Personalentscheidungen in der SPD seien mit der gesamten Führungsspitze im Team getroffen worden, entgegnete Klingbeil in NRW, und merkte an, solche Diskussionen seien nötig, man könne sie aber auch ohne persönliche Angriffe führen.
Zu Forderungen nach einer programmatischen Kehrtwende sagte Klingbeil, er warne davor, die SPD radikaler auszurichten oder weiter nach links zu rücken. Stattdessen müsse die Sozialdemokratie wieder stärker Politik für die Mitte machen.
Klingbeil: Brauchen eine ehrliche Debatte
Klingbeil versicherte, der Start der neuen Bundesregierung werde die Aufarbeitung des SPD-Debakels bei der Bundestagswahl nicht verdrängen. "Wir brauchen eine ehrliche, eine offenere, eine schonungslose Diskussion in der SPD, wie wir wieder stärker werden können." Das werde beim Bundesparteitag im Juni eine große Rolle spielen. In Duisburg hatte er nicht viel Zeit für die Auseinandersetzung: "Ich muss nach Schleswig-Holstein", entschuldigte er sich.
Die vergangenen Wochen seien geprägt gewesen von Höhen, Tiefen, Tempo, schwierigen Entscheidungen und auch Verletzungen, stellte der 47-jährige Parteichef fest. Es sei aber angesichts der großen bevorstehenden Aufgaben unerlässlich, dass die Partei geschlossen und solidarisch zusammenstehe. Die neue Koalition von SPD und Union sei zum Erfolg verdammt. Sein Schlussappell: "Lasst uns am Ende vor allem eine geschlossene, eine solidarische, eine starke SPD sein."/beg/DP/zb